In den letzten Monaten versuchte der Verfassungsschutz Hessen und das Innenministerium erneut Informationen über linke Strukturen zu ergattern. Ihre bekannte Methode des Anquatschversuches und der damit einhergehenden Drucksituation für Einzelne haben sie dabei modifiziert und nähern sich Aktivist_innen nun auf unterschiedlicher Weise.
Anquatschversuch #1 – „Wenn ich wüsste, was Kunst ist, würde ich es für mich behalten.“
Mitte Mai wurde ein Genosse, welcher in der Videokunst aktiv ist über eine Internetplatform angeschrieben. Dort äußerte sich eine Person namens Paul Thompson über die Kunst des Genossen und bat ihm in den darauffolgenden Mailaustausch finanzielle Unterstützung an. Circa zwei Wochen nach dem ersten Kontakt wurde ein Treffen im nh-Hotel in Niederrad vereinbart. Dort angekommen wurde der Genosse von zwei Männern begrüßt. Ein junger Mann mit kurzen braunen Haaren und einer schwarzen Brille stellte sich als Paul Thompson vor. Sein Begleiter war älter, hatte graue mittellange Haare, gelbe Zähne mit Schneidezahnkronen und eine Brille mit Drahtgestell. Über eine Stunde lang unterhielten sich die drei Personen über Kunst und immer wieder wurde der Genosse gefragt, wie er den zu der Verbindung zwischen Kunst und Politik stünde. Besonders die Punkte Gewalt und Militanz standen dabei im Fokus des Interesses. Dies wurde dem Genossen unangenehm und er wurde misstrauisch. Auf mehrmalige Nachfrage und warum bestimmte Informationen wichtig seien gaben sich die beiden Unbekannten als Beamte des hessischen Verfassungsschutzes beziehungsweise des Innenministeriums Berlin aus. Sie versicherten, dass alle Informationen vergütet würden und machten mehrere finanzielle Angebote für Informationen zur linken Szene und einzelnen Personen. Der Genosse verließ daraufhin sofort den Treffpunkt und es gab keinen Kontakt mehr zu den Personen.
Anquatschversuch #2
Ein weiterer Anquatschversuch erfolgte bei einem Gesnossen am 10. April. Bereits auf dem Weg zur Arbeitsstelle ist ein BMW am Straßenrand aufgefallen. Dieser setzte sich nach Feierabend auf dem Heimweg hinter den Genossen, um ihn an der nächsten Ampel zu überholen und auf einen Parkplatz in der Nähe des Dünsbergs (bei Gießen) zu leiten. Auf diesem Parkplatz stiegen ein ca. 40-jähriger, 1,75 cm groß, kräftig gebauter Mann und ein ca. 30-jähriger, 1,85 cm großer Mann mit braunen haaren und Bart aus dem Auto und stellten sich als Beamte des hessischen Verfassungsschutzes vor. Die Beamten sprachen den Genossen von Anfang an mit seinem Namen und erklärten, dass sie gerne über Rechtsextremismus, Hogesa und Pegida sprechen würden und sprachen eine Einladung zum Kaffee oder Essen aus. Die Beamten übergaben einen Zettel mit zwei Kontaktnummern und meinten, dass das Gespräch vertraulich behandelt werden solle. Danach verließen sie den Parkplatz. Im Nachhinein meldeten sich die Beamten noch mehrmals auf dem privaten Mobiltelefon des Genossen. Da dies nicht über seinen Namen angemeldet ist, kann man davon ausgehen, dass die Beamten deutlich mehr Recherche-Arbeit an den Tag gelegt haben, als bei vergangenen Versuchen. Oft vermelden die Beamten hierbei, dass es ihnen doch um das gleiche Ziel, nämlich die Bekämpfung rechter Strukturen ginge, sie lenken dabei aber das Gespräch schnell auf linke Strukturen und versuchen darüber Informationen zu erfahren. In diesem Fall haben sich die Beamten nach zwei Wochen nicht mehr gemeldet, nachdem auf die Handynachrichten keine Reaktion erfolgt ist.
Wir zielen auf Solidarität!
Diese beiden Anquatschversuche und ihre Vorbereitungen zeigen, dass der Verfassungsschutz seine plumpen Taktiken verworfen hat. Es scheint, dass zur Zeit deutlich mehr Arbeit investiert wird um Informationen über linke Strukturen zu gewinnen.
Zeigt euch solidarisch mit den Betroffenen der Anquatschversuche!
Ihr seid nicht allein. Falls ihr Erfahrungen mit Beamt_innen des Innenministeriums gemacht habt, wendet euch an die Rote Hilfe.