„Europäische Krisenproteste – Frankfurter Notstandsübungen“

Wir möchten uns auf diesem Wege bei allen Zuhörer*innen und Unterstützer*innen unserer Veranstaltung “Europäische Krisenproteste – Frankfurter Notstandsübungen” im September 2012 bedanken. Im Folgenden eine Zusammenfassung mit Links zu den ausführlichen Veranstaltungsteilen:

  1. zum aktuellen Stand der strafrechtlichen Folgen nach M31 und Blockupy,
  2. zu „Medien und Blockupy“,zu „Widerstand,
  3. Polizei und Justiz in einer digitalen Welt“ und
  4. zu „Blockupy – Eine neue Polizeistrategie?

1. Teil: M 31, Blockupy und die strafrechtlichen Folgen während und nach den Krisenprotesten 2012

Mit der militanten Demo am 31. März und den Aktionstagen zu Blockupy kam es 2012 zu europaweiten Krisenprotesten in Frankfurt am Main. Die M31–Demo führte zu massiven Sachbeschädigungen, was die Bullen zum Anlass nahmen einen großen Teil der Demo zu kesseln und den anderen aufzulösen. Es kam zu ca. 470 Festnahmen, von denen mittlerweile viele eingestellt sind, laut Frankfurter Staatsanwaltschaft führt sie noch 100 Ermittlungsverfahren gegen Aktivist*innen. Im Zuge der Ermittlungen wegen „schwerer Körperverletzung“ zum Nachteil eines Verbindungsbeamten der Polizei, die von den Bullen zu Beginn noch unter dem Tatvorwurf des „versuchten Totschlags“ geführt wurden, kam es zu neun Zeug*innenvorladungen bei der Staatsanwaltschaft. Fünf der dort vorgeladenen Genoss*innen haben die Aussage verweigert und wurden dafür mit Ordnungsgeldern belangt, welche die Rote Hilfe übernommen hat. Anfang Februar 2013 kam es zu Hausdurchsuchungen bei acht Photojournalisten, mit denen die nach M31 entstandene Sonderkommission der Polizei (Soko 313) versuchte, unverpixelte Beweisphotos zu erhalten.

Vor und während der Aktionstage von Blockupy hatten die Frankfurter Ordnungsbehörden auf der Grundlage einer absurden Gefahrenprognose massiv Aufenthaltsverbote verfügt und alle Versammlungen bis auf die Großdemo am Samstag verboten. Die Polizei nahm zwar im Zuge einer verwaltungsgerichtlichen Verhandlung alle vor Blockupy verhängten Aufenthaltsverbote gegen M31-Demonstrant*innen zurück, weil das Gericht signalisiert hatte, dass die von der Polizei präsentierten „Beweismittel“ dafür nicht ausreichten. Dies hinderte die Bullen jedoch nicht daran, während der laufenden Aktionstage hunderte weiterer solcher Verbotsverfügungen auszustellen. Die Praxis der Sicherheitsorgane, Großversammlungen auf diese Weise zu behindern, ist damit also für zukünftige Proteste leider nicht verunmöglicht.
Im Oktober und Dezember 2012 folgten für viele Aktivist*innen Bußgeldbescheide wegen der Teilnahme an verbotenen Versammlungen. Gegen diese, aber auch gegen das Festsetzen der Busse wurden Rechtsmittel eingelegt. Erste Klageerfolge wie gegen das Verbot einer Versammlung des Grundrechtekomitees und die präventive Ingewahrsamnahme einer „Reisegruppe“ aus Berlin konnten erzielt werden.

Ein ausführlicher und aktualisierter Bericht findet sich hier:
Rote Hilfe-Update Krisenproteste 08.03.2013

2. Teil: Die Medien und Blockupy

Die Presse hat das Ganze mit der ihr eigenen Lust auf Sensationen, vor allem nachdem M31 ihr einige entsprechende Bilder und Geschichten lieferte, begleitet und Presseerklärungen von Polizei und Politik kritiklos übernommen. Im Verlauf der Aktionstage von Blockupy war sie dann gezwungen die massiven Freiheitsbeschränkungen zu kommentieren. Eine Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Inhalten des Blockupy-Bündnisses fand nicht statt. Erfreulicherweise wurden einige Passagen der Presseerklärungen des EA in die Berichterstattung übernommen.
Weiterlesen: Teil 2 – Die Medien und Blockupy

3. Teil: Widerstand, Polizei und Justiz in einer digitalen Welt

Den massiven Eingriffsmöglichkeiten in unsere persönliche Freiheit, die sich durch die zunehmende Digitalisierung der Lebenswelt ergeben, steht unser Verhalten gegenüber, dass sich in den letzten 30 Jahren leider nur unzureichend angepasst hat. Währenddessen nutzen Polizei und Justiz diese neuen Möglichkeiten intensiv, manchmal auch ohne gesetzliche Grundlage, um an Daten zu kommen und ihre Erkenntnisse über bestimmte Gruppen und Zusammenhänge zu erweitern. Die hemmungs- und gedankenlose Nutzung von Handys, sozialen Netzwerken und ähnlichem schadet uns. Wir müssen einen sicheren Umgang mit diesen Dingen erlernen und konsequenter anwenden.
Weiterlesen: Teil 3: Widerstand, Polizei und Justiz in einer digitalen Welt

4. Teil: Blockupy – Eine neue Polizeistrategie?

Die Blockupy-Aktionstage stellten nicht nur einen Höhepunkt der Krisenproteste in Frankfurt im Jahr 2012 dar. Für die Sicherheits- und Repressionsbehörden boten sie gleichzeitig den Anlass für eine groß angelegte „Sicherheitsinszenierung“ in der Stadt, mit der der Staat seine Handlungsfähigkeit gegen die sich zunehmend europaweit vernetzenden Proteste gegen die EU-Krisenpolitik demonstrieren wollte.
Dabei griffen Staat und Polizei verstärkt auf das Instrumentarium eines „präventiven Sicherheitsstaates“ zurück. Die Strategie der Ordnungsbehörden bestand darin, die angemeldeten Veranstaltungen durch weitreichende Versammlungsverbote zu verhindern. Mit Sicherheitszonen, Aufenthaltsverboten und präventiven Ingewahrsamnahmen bediente sich die Polizei dabei vor allem polizeirechtlicher Mittel, um potentielle Demonstrant*innen aus der Stadt auszuschließen, einzusperren und Protest von vornherein unmöglich zu machen. Die massiven Grundrechtseingriffe, die damit verbunden waren, begründeten die Ordnungsbehörden mit einer zu großen Teilen konstruierten polizeilichen Gefahrenprognose.
Diese Vorverlagerung polizeilicher Kontrolle ist nicht neu, sondern war schon bei früheren Großveranstaltungen, wie den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 und den NATO-Gipfel in Kehl 2009 zu beobachten. Relativ „neu“ erscheint zunächst der präventive Einsatz von Aufenthaltsverboten gegen die linke Szene. Wenn man das Blickfeld erweitert, stellen solche Maßnahmen jedoch eine seit langem geübte und von den Gerichten bestätigte Praxis gegen Fußballfans dar. Hier reicht ein Eintrag in die Datei „Gewalttäter Sport“, um bei zukünftigen Gelegenheiten Aufenthaltsverbote auszusprechen und noch restriktivere Maßnahmen wie Meldeauflagen oder Ausreiseverbote gegen unliebsame Personen zu verhängen.
Solche und ähnliche Formen präventiver Kontrolle könnten – wie der Polizeieinsatz während Blockupy zeigt – in Zukunft verstärkt als Mittel gegen linke und linksradikale Großproteste eingesetzt werden. Als Teil der Frankfurter Antirepressionsgruppen halten wir eine Diskussion darüber nach Blockupy für dringend notwendig.

Weiterlesen:

  • Eine neue Strategie der Polizei und was wir dem eventuell entgegen setzen können (Vortrag 1)
  • Demoverbote, Aufenthaltsverbote und vorbeugende Ingewahrsamnahmen. Zur Vorverlagerung der polizeilichen Kontrolle während der Blockupy-Aktionstage (Vortrag 2)